![]() Über Pascal Grüne: "Seit ich 15 bin, habe ich vielfältige Rollen in verschiedenen Vereinen übernommen (Trainer, Vorsitzender usw.]. Nach meinem Sportmanagement-Studium an der Hochschule Koblenz habe ich die Führung eines Großsportvereins mit mehr als 2100 Mitgliedern in Norddeutschland übernommen. Darüber hinaus bin ich als Engagement- und Prozessberater für den Landessportbund Niedersachsen aktiv und betreue Entwicklungsprozesse in Vereinen." |
Angebotsentwicklung in der Praxis: So haben wir 20 neue Mitglieder gewonnen
Du möchtest wissen, wie du neue Mitglieder gewinnen kannst? Wir zeigen dir ein praxisnahes Beispiel zum Thema Angebotsentwicklung im Verein.


So hat Pascal eine neue Triathlon-Abteilung aufgebaut
Wir werfen einen praxisnahen Blick auf das Thema Angebotsentwicklung im Verein. Pascal hat im Jahr 2019 eine Triathlon-Abteilung gegründet und wird in diesem Interview verraten, wie er das angegangen ist. Welche Stolpersteine gab es? Und welche Dinge haben auf Anhieb gut funktioniert? In diesem Interview erfährst du alles rund um eine praxisnahe Angebotsentwicklung im Sportverein.
Die Vorbereitungsphase: Motivationsfaktoren für eine neue Triathlon-Abteilung
Martin: Was waren deine Beweggründe eine Triathlon-Abteilung in deinem Verein zu gründen?
Pascal: Ich habe ungefähr im Jahr 2014 mit dem Triathlon begonnen und grundsätzlich allein trainiert. Ich hatte keinen Trainingsplan und habe alles nach Lust und Laune gestaltet. Da kam die Idee Mitstreiter zu suchen, um nicht mehr allein so viel zu leiden.
Martin: Jetzt ist es grundsätzlich schwieriger für Individualsportarten neue Mitglieder zu gewinnen. War denn dein Verein überhaupt geeignet ein Triathlon-Angebot aufzubauen?
Pascal: Die Infrastruktur in Otterndorf war vorhanden und diese wollte ich gerne einbauen. Es gab ein Schwimmbad und einen See vor der eigenen Haustür. Dazu eine Laufbahn neben dem Vereinsheim. Zudem gab es eine Schwimm- und Leichtathletikabteilung im Verein. Das Besondere bei uns: Wir hatten jedes Jahr eine eigene Triathlon-Veranstaltung, aber nie eine entsprechende Trainingsgruppe. Und an dieser Stelle wollte ich gerne was verändern.
Martin: Wen musstest du überzeugen, um dein Vorhaben umzusetzen?
Pascal: Gute Frage. Ich war damals nicht im Vorstand und habe es als mein kleines privates Projekt angesehen. Es war niemand im Vorstand dagegen und dann habe ich einfach losgelegt. Für mich galt der Grundsatz, dass ich Konkurrenz innerhalb des Vereins oder zu anderen Vereinen im Umkreis vermeiden wollte. Aber in der Vereinsnachbarschaft gab es sowieso kein Angebot für Erwachsene, sondern nur für Kinder.
„Wie ticken Triathleten?“ – Verständnis für die Zielgruppe entwickeln
Martin: Wie bist du auf die potenzielle Zielgruppe zugegangen? Sicherlich kennst du Triathleten aus deinem persönlichen Umfeld.
Pascal: Nein, ich kannte leider keinen persönlich (lacht). Ich habe mich also gefragt, wie ticken Triathleten? Denn das Training besteht aus drei Disziplinen und ist damit sehr speziell. Es gibt wenige, die alles beherrschen und noch weniger, die Lust haben alle drei Disziplinen zu trainieren. Triathlon-Training kann einsam machen.
Martin: Was hast du von dir auf andere geschlossen? Und war das richtig so?
Pascal: Ich habe meine Motive als gegeben hingenommen und nicht hinterfragt, ob alle so denken wie ich. Ob das richtig war, weiß ich nicht – aber es hat schlussendlich funktioniert. Denn was hatte ich schon zu verlieren? Im schlimmsten Fall wäre etwas Zeit verschwendet gewesen, aber das Planen hatte bereits Spaß gemacht. Ich drifte dann in eine Traumwelt und male mir aus, wie das Ergebnis am Ende aussehen wird.
Martin: Kannst du denn selbst eine Gruppe als Trainer anleiten oder brauchtest du dafür Expertise von außen?
Pascal: Ich wollte immer, dass wir qualifiziertes Training haben und kein zusammengewürfelter Haufen sind, der ambitionslos Sport treibt. Ich selbst habe einen Trainerschein für Tischtennis – da war ich also komplett aufgeschmissen. Hier brauchte ich also Hilfe.
Übungsleitersuche: So hat Pascal eine Trainerin für das Projekt gewonnen
Martin: Wie bist du vorgegangen, um einen Übungsleiter zu finden?
Pascal: Es gab ja den Verein im Umkreis, der eine leistungsorientierte Kinder-Triathlon-Abteilung hatte und hier habe ich Kontakt aufgenommen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob es jemanden gibt, der ein solches Training auch für Erwachsene anbieten kann. Auch Triathleten aus dem Umfeld habe ich kontaktiert.
Martin: Du hattest gesagt, dass es keine persönlichen Kontakte zu Triathleten gab. Wie hast du hier eine Lösung gefunden?
Pascal: Ich hatte Glück. Den Verein aus der Nachbarschaft habe ich angesprochen und deutlich gemacht, dass ich ihnen keine Mitglieder wegnehmen möchte. Da wir der Triathlon-Veranstalter in der Umgebung waren und der Nachbarverein nur eine Kinderabteilung hatte, konnte ich die Verantwortlichen von meinem Projekt überzeugen. Und die dort vorhandene Trainerin habe ich für mein Vorhaben gewinnen können. Sie stand total hinter dem Triathlon-Sport und hat sich selbst immer gefragt, warum der Verein nur ein Angebot für Kinder hatte. Das Ganze hat mich im Spätherbst ungefähr zwei Monate Zeit gekostet.
Martin: Was hat beim Überzeugen der Trainerin geholfen?
Pascal: Ich bin offene Türen eingerannt. Die Trainerin hatte richtig Bock drauf und wir waren gleich auf einer Wellenlänge. Ich bin sehr auf die Bedürfnisse der Trainerin eingegangen und habe ihr inhaltlich und zeitlich freie Hand überlassen. Eine Trainerin mit entsprechender Qualifikation, die inhaltlich alles abdecken kann, kostet eben Geld. Deshalb war es gut im Vorfeld mit den Vereinsvertretern zu sprechen, um mir ein Startkapital einzuholen. Ich habe mir 500 Euro aus der bestehenden Veranstaltung und weitere 500 Euro für die Anlaufphase zusichern lassen. Ich habe diese Summe gar nicht gebraucht, hatte aber die Sicherheit ein gewisses Budget ausgeben zu können.
Martin: Hat es bei der Planung eine Rolle gespielt, dass Triathleten im Hinblick auf die Ausrüstungskosten eine recht preissensible Zielgruppe sind?
Pascal: Das hat gar keine Rolle gespielt. Unser Anspruch war Hobby-Triathleten bzw. Einsteiger, die mit der Sprintdistanz starten genauso anzusprechen, wie ambitionierte Spezialisten. Denn wer mit dem Triathlon beginnt, muss nicht gleich vierstellige Beträge für ein Fahrrad ausgeben. Da tuen es auch ein Holland-Rad, ein Paar gute Laufschuhe und das Schwimmen klappt auch ohne Neoprenanzug.
Planung und Organisation: Wie Pascal einen Schnuppertag organisiert hat
Martin: Der Grundstein war gelegt. Wie ging es dann weiter?
Pascal: Es gab die Idee einen Schnuppertag zu organisieren. Es ging darum auch Leute zu finden, die noch kein Triathlon machen und in den Sport einsteigen wollen. Bei der Planung wollten wir viel Abdecken. Sprich: Laufen, Schwimmen, Radfahren. Nun hatten wir leider Februar. Und das ist nicht gerade das beste Wetter, um draußen Sport zu machen (lacht). Also haben wir uns entschieden im Hallenbad eine Stunde zu schwimmen und danach in die Turnhalle, um Krafttraining und Laufübungen zu machen.
Martin: Was gab es bei der Organisation zu beachten?
Pascal: Ich musste Absprachen mit dem Schwimmbad treffen, um eine Bahn zu mieten. Das war schwierig, weil ich gar keine Ahnung hatte, wie viele Personen überhaupt kommen. Auch für die Turnhalle musste ich ein passendes Zeitfenster finden, welches mit dem Schwimmbad übereinstimmt. Wir haben uns für Samstagvormittag entschieden. Hier haben sich gute Kontakte aus den vereinsinternen Abteilungen ausgezahlt. Ich habe abschließend entschieden, dass die Kosten für Mitglieder bei 0 Euro liegen und Nichtmitglieder 5 Euro für den Badeintritt bezahlen mussten – so konnte ich gut kalkulieren und dem Vorstand signalisieren, dass meine Idee nicht zu teuer wird.

Mit Newsmeldungen und dem persönlichen Netzwerk Interessierte finden
Martin: Das Grundgerüst stand also. Wie hast du Werbung für den Schnuppertag gemacht?
Pascal: Ich habe versucht breit zu streuen und das persönliche Netzwerk aktiviert. Das beinhaltete eine Newsmeldung auf der Homepage und das Verteilen der Informationen an die verschiedenen Abteilungen in unserem Verein. Diese Newsmeldung habe ich aber auch an andere Vereine und an den Kreis- und Landessportbund weitergegeben. Außerdem hat auch die lokale Zeitung eine Information dazu erhalten. Der gesamte Tages- bzw. Trainingsablauf des Schnuppertags wurde in die Newsmeldung integriert, sodass jeder Interessierte über den Ablauf informiert war. Die Trainerin sollte zudem ordentlich Werbung im eigenen Netzwerk machen. Ich habe auch noch eine kleine Grafik erstellt und diese in meinen WhatsApp-Status gepackt. Später habe ich gemerkt, dass mein Status geteilt bzw. weiterverbreitet wurde.
Martin: Hast du den Fachverband auch kontaktiert?
Pascal: Ja habe ich. Der Fachverband war leider keine große Hilfe, weil der Fokus dort auf Kinder- und Schulsport liegt. Ich habe dann die Facebook-Seite unserer Triathlon-Veranstaltung genutzt, um die richtige Zielgruppe zu erreichen. So kam ich mit einigen Startern aus den Vorjahren in Kontakt, bei denen der ein oder andere auch Interesse hatte, in unserer Trainingsgruppe mitzumachen. Das war alles drei bis vier Wochen vor dem Schnuppertag. Ich hatte die Hoffnung, dass acht bis zehn Leute kommen.
Martin: Der Mix aus Maßnahmen macht es am Ende aus. Wusstest du, wie viele Leute kommen?
Pascal: Nein ich hatte gar keine Ahnung. Es gab die Möglichkeit, sich bei uns anzumelden – das haben aber lediglich sechs oder sieben gemacht. Wir waren uns also sicher, dass die eine gebuchte Schwimmbahn ausreichend ist.
Martin: Und wie viele waren es schlussendlich?
Pascal: Es waren tatsächlich 23! Damit hätte ich nie gerechnet. Und es war alles dabei: vom absoluten Anfänger bis zum Ironman Finisher. Es war natürlich viel zu voll auf der Schwimmbahn, aber die Trainerin hat ein super Training angeleitet. Später saßen wir in der Turnhalle zusammen und haben überlegt, wie es weitergehen könnte. Einige haben gleich signalisiert, dass sie dabeibleiben würden. Schlussendlich waren es 15 Sportler, die sich jede Woche zum gemeinsamen Training getroffen haben.
Martin: Wie viele von den 15 waren bereits Mitglied im Verein?
Pascal: Ich schätze es waren zehn Bestandsmitglieder und fünf Neue. Und das macht natürlich auch monetär etwas aus. Wir hatten einen Mitgliedsbeitrag von 100 Euro pro Jahr und damit hatte ich die Anfangsinvestition schon wieder raus. Weil das Schwimmbad Eintritt kostete und die Trainerin bezahlt werden musste, wurde ein Zusatzbeitrag erhoben.
Martin: Wie hoch war der Zusatzbeitrag?
Pascal: Der Zusatzbeitrag lag bei 150 Euro im Jahr. Triathlon in unserem Verein hat also insgesamt 250 Euro jährlich gekostet. Darin enthalten die Trainerin (2-mal die Woche) und der Eintritt ins Schwimmbad.
Die Schwierigkeiten in der Anfangszeit
Martin: Welche Schwierigkeiten gab es zur Anfangszeit?
Pascal: Ich wollte natürlich keine eigene Abteilung mit lediglich 15 Leuten, weil so gut wie jeder ein Amt hätte übernehmen müssen. Es gab die Überlegung, sich der Schwimmabteilung anzuschließen. Die hatten aber Sorge, dass wir als Freiwasserschwimmer und Breitensportler nicht in deren Kurzstreckenprogramm passen. Die Leichtathletik-Abteilung hat uns dann geduldet, weil wir selbstverwaltet waren. So konnten wir die Laufbahn und das Knowhow der vorhandenen Trainer und Athleten nutzen.
Martin: Wie hast du die Kosten für die Abteilung kalkuliert?
Pascal: Mit einer ganz klassischen Excel-Tabelle. Als Kostenpunkte gab es die Trainerin, den Verband, den Eintritt für das Schwimmbad und die ausgelagerte Buchhaltung. Ich habe ein paar Szenarien durchgerechnet und die 1.000 Euro Startkapital mit einkalkuliert. Die Gesamtkosten habe ich addiert und mit der Anzahl der Personen geteilt. Das habe ich offen mit der Gruppe kommuniziert. Im Vereinsvergleich waren wir eine Gruppe mit enorm hohen Zusatzbeitrag – lag aber auch daran, dass die Last auf wenige Schultern verteilt war.
Wie eine kleine Triathlon-Gruppe im Umfeld für positives Aufsehen sorgte
Martin: Damit wart ihr dann eine etablierte Gruppe im Verein. Wie ist es mit eurer Gruppe weitergegangen?
Pascal: Es entwickelte sich eine Eigendynamik, die ich nicht erwartet hätte. Wir hatten schnell einen eigenen Namen und ein eigenes Logo. Als Triathlon-Team aus Otterndorf waren wir das OTT-Team, was aufgrund des Nummernschilds im Ort einen Wiedererkennungswert hatte. Wir hatten Fotografen und Grafiker im Team, die ein tolles Logo und ein Teamfoto am See entworfen haben. Dazu gab es Team-Shirts und einen eigenen Social-Media-Kanal. Weil wir auch zu Wettkämpfen gefahren sind, gab es die Idee ein Pavillon mit einem drei Meter Banner und Logo als Teamzelt zu etablieren. Insgesamt gab es trotz enormer Leistungsunterschiede, einen tollen Teamspirit. Ein gemeinsames Sommerfest und das Zusammensitzen nach dem Training haben den Zusammenhalt in der Gruppe perfekt abgerundet.
Martin: Du bist ja irgendwann weggezogen. Gibt es die Gruppe immer noch?
Pascal: Ja selbstverständlich. Ich habe die Übergabe organisiert und bin ab und zu in der Gegend. Natürlich trage ich mein Team-T-Shirt bei jeder Gelegenheit und bin mit dem Herzen immer noch dabei
Beim nächsten Mal: „Körner sparen und vom Netzwerk eines Mitstreiters profitieren.“
Martin: Was würdest du beim nächsten Mal anders machen?
Pascal: Bürgerbeteiligungen hat es beispielsweise nicht gegeben. Ich würde beim nächsten Mal das Projekt zeitlich anders organisieren, damit ich beim Schnuppertag nicht in einen Wintermonat rutsche. Ich würde aber auch andere Beteiligte von Anfang an stärker in meine Idee einbinden. Das war schwierig, weil ich sehr viel selbst gemacht habe. Ich hätte sehr viele Körner gespart, wenn ich auch vom Netzwerk eines Mitstreiters hätte profitieren können.
Martin: Und hast du daraus gelernt?
Pascal: Spezialisten wie Grafikern und Fotografen habe ich freien Lauf gelassen. Da wird einem bewusst, was andere können und sie für tolle Arbeit machen. Ich habe später einen Stellvertreter installiert und das war eine sehr gute Entscheidung, weil dieser mir viel Arbeit abnehmen konnte. Das war auch bei der späteren Übergabe von Vorteil, weil bereits viel Wissen weitergegeben wurde.
Du möchtest mehr über das Wissensmanagement im Verein erfahren? Hier geht es zu unserem ausführlichen Blogartikel.
Pascal: Vielleicht haben wir uns beim Thema Sponsoren und Partner am Anfang etwas unter Wert verkauft. Es gab ja Probleme mit dem Schwimmbad, bei dem wir uns vielleicht nicht hätten abwimmeln lassen sollen. Es gab aber einen tollen Rückhalt der Stadt.
Martin: Und baust du in deinem Wohnort gleich das nächste Team auf?
Pascal: Nein ich glaube nicht (lacht). Ich schaue erstmal, dass ich mich hier im Verein sinnvoll einbringen kann und backe kleine Brötchen.
Martin: Abschließend dein persönliches Fazit: Was sind die drei entscheidenden Punkte, die dir im Kopf geblieben sind?
Pascal: Schwierig (überlegt).
- Zunächst sind wir mit 20-25 Sportlern gestartet, aus denen sich ein großartiges Team entwickelt hat.
- Wir haben Corona überlebt und der harte Kern ist nach wie vor zusammen.
- Obwohl ich umgezogen bin, gibt es die Gruppe noch. Und ich bin immer noch Teil des Teams.
Martin: Danke, dass wir an deinen persönlichen Erfahrungen Teil haben konnten. Damit haben wir das Thema Mitgliedergewinnung mit praktischem Leben füllen.