Es gibt immer wieder die falsche Annahme, dass Schnellkraft automatisch verbessert wird, je stärker man ist.
Anders ausgedrückt: Viele Menschen denken, dass durch eine höhere Maximalkraft auch die Schnellkraft erhöht wird. Das ist jedoch nicht ganz korrekt.
Dazu muss man natürlich wissen, dass Kraft und Geschwindigkeit sich bei Muskeln so verhalten: Je schneller ein Muskel bewegt wird, desto weniger Kraft kann er entfalten.
Ein Beispiel: Machst du eine sehr schwere Kniebeuge, wirst du diese sehr langsam machen. Dennoch ist mehr Maximalkraft dafür erforderlich, jedoch weniger Schnellkraft. In einer Formel ausgedrückt bedeutet das: Die höchste Schnellkraftleistung liegt bei einem Drittel der statischen Maximalkraft und bei rund 25 bis 30 Prozent der maximalen Kontraktionsgeschwindigkeit.
Um wieder zum Thema zurückzukehren: Du bist also nicht automatisch schnellkräftiger, wenn du stärker bist. Eine große statische Maximalkraft bedeutet nicht, dass ein Mensch diese auch schnell entwickeln kann. Zwei Menschen mit derselben Maximalkraft können in Bezug auf die Schnellkraft völlig unterschiedliche Leistungen erbringen.
Deutlich wird das z.B. häufig in Boxkämpfen im Superschwergewicht. Beide Boxer haben dann eine sehr hohe Maximalkraft. Doch um diese auch in ein K.O. umzusetzen, braucht es Schnellkraft. Sie sorgt dafür, dass ein Punch z.B. durch die Abwehr kommen kann und den Gegner trifft.
Aber um wieder zum Anfang zurückzukommen: Eine Person mit einer höheren Maximalkraft wird es bei explosiven Bewegungen meist einfacher haben als ein Mensch mit geringerer Maximalkraft. Das wiederum wird beim Kugelstoßen deutlich. Hier spielt die Maximalkraft eine wichtige Rolle, da die Kugel relativ eine geringere Last darstellt, wenn man stärker ist, sodass man sie entsprechend schneller bewegen kann.
Aus biologischer Sicht entscheidend für die Schnellkraft ist die Größe der Querschnittsfläche der schnellen Muskelfasern (Typ2-Fasern). Je mehr dieser Fasern vorhanden sind und je dicker diese sind, desto mehr Schnellkraft kann ein:e Sportler:in entwickeln.
Als Trainer:in ist es wichtig zu prüfen, wie gut der oder die jeweilige Athlet:in in der Lage ist, in für ihren/seinen Sport relevanten Bewegungen schnell Kraft zu entwickeln.
Neben der Menge und der Dicke der Typ2-Muskelfasern sind für die sportspezifische Anwendung der Schnellkraft noch weitere, nicht-biologische, Faktoren leistungslimitierend:
- Wie gut ist die Bewegungskoordination? Die Verbesserung der Abläufe einzelner Bewegungen kann die Leistung deutlich verbessern.
- Wie lang sind die Gliedmaßen (=anthropometrische Merkmale) ? Hier spielt die Hebelfunktion z.B. bei Wurfdisziplinen eine wichtige Rolle.
- Wie gut war die Vorspannung der Muskeln? Bei isometrischer oder exzentrischer Kontraktion im Vorfeld der eigentlichen Bewegung ist die Entwicklung der Schnellkraft besser.
- Wie hoch ist die Motivation der Sportlerin/des Sportlers? Dieser psychologische Faktor ist in Wettkämpfen häufig entscheidend.